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Krafthaftpflichtschaden - Bei Reparaturkosten wird die Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer nur erstattet, wenn der Geschädigte ausschließlich konkret abrechnet, also tatsächlich reparieren lässt

Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Holder (15.06.2022).

Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung im Rahmen des Reparaturschadens nicht zulässig sei. Wer einen Reparaturschaden habe, aber nur teilweise reparieren lasse, könne die durch die Teilreparatur soweit angefallene Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer nicht verlangen. Nur wenn der Geschädigte die Reparatur dann vollständig durchführen ließe, könne er die konkret angefallene Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer verlangen.

Im Gesetz in § 249 Abs. 2 BGB heißt es aber: 

„Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“ [Hervorhebung diesseits]

Der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs führt mit BGH, Urt. v. 05.04.2022, VI ZR 7/21 aber aus wie folgt:

„Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig (hier: Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit des Unfallfahrzeugs).“ [Hervorhebung diesseits]

Und weiter:

„Die unterschiedlichen Abrechnungsarten dürfen aber nicht miteinander vermengt werden. So ist insbesondere eine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung unzulässig. Hierdurch soll nicht nur verhindert werden, dass sich der Geschädigte unter Missachtung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart aussucht ("Rosinenpicken"), sondern auch den unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnung Rechnung getragen und deren innere Kohärenz sichergestellt werden (Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 18 mwN).

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So knüpft die konkrete Schadensabrechnung an eine tatsächlich durchgeführte Reparatur oder Ersatzbeschaffung an und zielt auf Ersatz der hierfür konkret angefallenen Kosten ab. Demgegenüber ist bei der fiktiven Abrechnung der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der aufgrund seiner Dispositionsfreiheit in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei und deshalb nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Schadensberechnung auf einer abstrahierten Grundlage zufriedengibt (Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 19 mwN).

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Dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten entsteht durch das Vermischungsverbot kein Nachteil. Auch wenn er seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abgerechnet hat, kann er später - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen (Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 20 mwN).

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c) Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht beanspruchen. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - im Rahmen einer durchgeführten Reparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig (Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 21).“ [Hervorhebung diesseits]

Und weiter:

„15
bb) Die Umsatzsteuer bleibt nicht nur dann fiktiv in diesem Sinne, wenn es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung kommt; sie bleibt es vielmehr auch dann, wenn der Geschädigte zwar tatsächlich eine Restitutionsmaßnahme veranlasst, diese Maßnahme aber nicht zur Grundlage seiner Abrechnung macht, sondern seinen Schaden fiktiv und damit ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnet (Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 23 mwN). Wie bereits unter b) ausgeführt, darf der Geschädigte die tatsächlich erfolgte Restitutionsmaßnahme dann auch nicht teilweise - in Bezug auf die angefallene Umsatzsteuer - zum Gegenstand seiner im Übrigen fiktiven Abrechnung machen (vgl. Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 24; aA Elsner, jurisPR-VerkR 2/2022 Anm. 1).“ [Hervorhebung diesseits]

Der Bundesgerichtshof verkennt insoweit den Wortlaut des Gesetzes. § 249 Abs. 2, Satz. 2 BGB sagt klar, dass die Umsatzsteuer zu ersetzen ist, soweit diese anfällt. Dies setzt voraus, dass die Umsatzsteuer auch teilweise anfallen können muss.

Insoweit stellt sich die Frage, was im Falle einer Wiederbeschaffung mit der Umsatzsteuer aus dem Wiederbeschaffungswert ist. Wenn der Geschädigte kein Fahrzeug ähnlich dem seines Unfallfahrzeuges bekommt, müsste dies in logischer Konsequenz bedeuten, dass der Geschädigte bei einem kleineren Auto ja nur eine Teilersatzbeschaffung durchführt und deshalb überhaupt keine Umsatzsteuer bekommen würde. Will der Geschädigte die Umsatzsteuer erstattet bekommen, dürfte er den Wiederbeschaffungswert ansetzen, den er für das kleinere Fahrzeug auch tatsächlich aufgewendet hat. Mehr würde der Geschädigte dann aber nicht erhalten. Dies Gleichwohl der Schädiger durch die Zerstörung des Fahrzeugs den Geschädigten erst in die Situation gebracht hat, dass er ein neues Fahrzeug benötigt und ihn der schwierigen Marktlage ausgesetzt hat. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein.

Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, das Wort „soweit“ hinsichtlich der Umsatzsteuer einzufügen. Der Geschädigte soll die Umsatzsteuer soweit geltend machen dürfen, soweit sie auch angefallen ist. Der Grundsatz, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist, lässt ohnehin keine andere Auslegung zu.

Soweit der BGH in diesem Zusammenhang von einem „Bereicherungsverbot“ und „Rosinenpicken“ spricht, erschließt sich dies ganz und gar nicht. Der Geschädigte kann seine Reparatur nach dem Gutachten vornehmen und dann die ganze Umsatzsteuer verlangen. Welchen Nachteil der Schädiger hat, wenn er nur eine Teilreparatur vornimmt und dann nur teilweise die Umsatzsteuer von ihm verlangt wird, teilt der BGH nicht mit.

Die Rechtsprechung des BGH ist in diesem Fall leider nicht nachvollziehbar. Diese Entscheidung fort zu führen und damit als Grundlage weiterer Entscheidungen stehen zu lassen ist falsch. Der BGH hat schnellstmöglich diese Rechtsprechung aufzugeben.

Hält der BGH diese Rechtsprechung aufrecht, dürfte dies zur Folge haben, dass noch mehr Menschen als früher lieber eine vollständige als eine teilweise Reparatur vornehmen. Die Versicherer werden also vermehrt die Umsatzsteuer nicht mehr teilweise sondern vollständig zahlen. Der Geschädigte ist nicht mehr uneingeschränkter Herr des Restitutionsgeschehen und der Schädiger läuft Gefahr mehr an Umsatzsteuer und damit insgesamt mehr zu bezahlen, als vor dieser Entscheidung.

Auch wir empfehlen unserer Mandantschaft regelmäßig bei Reparaturschäden die Reparatur vollständig nach dem Gutachten durchführen zu lassen. Der BGH hat mit seiner Entscheidung ein weiteres Argument dafür geliefert die Reparatur wie im Gutachten hinterlegt durchführen zu lassen und nicht lediglich eine Teilreparatur zu wählen.

Wir sind Spezialisten für Verkehrsunfälle. Wir beraten auch Sie und setzen Ihre Interessen mit allem Nachdruck durch.

 


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