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Verkehrsordnungswidrigkeiten – Herausgabe der Rohmessdaten für faires Verfahren erforderlich

Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Eichinger (11.12.2020).

Von Geschwindigkeitsmessgeräten werden in Sekundenbruchteilen eine Vielzahl von Daten aufgenommen und verarbeitet um zu einem Messergebnis zu gelangen. Diese sogenannten „Rohmessdaten“ liegen zwar den Bußgeldbehörden vor, werden jedoch im Regelfall nicht teil der Bußgeldakte.

Somit hatten Betroffene bisher auch durch Akteneinsicht nicht die Möglichkeit die Rohmessdaten von unabhängigen Sachverständigen auf ihre Richtigkeit überprüfen zu lassen. Anträge, welche gesondert auf die Herausgabe der Rohmessdaten abzielten wurden bislang mit vielerlei Begründungen abgewiesen. Unter anderem wurde angeführt, dass die Rohmessdaten nicht teil der Bußgeldakte seien und daher kein Anspruch auf Herausgabe bestünde. Dies wird sich nun ändern.

Nach dem Verfassungsgerichtshof des Bundesland Saarland (Beschluss vom 27.04.2018, Lv 1/18) hat nun auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12.11.2020, 2 BvR 1616/18, festgestellt, dass die Ablehnung eines Antrags auf Herausgabe der Rohmessdaten im Busgeldverfahren gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 ABs. 3 GG) verstößt. Hierzu führt das BVerfG aus:

„Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt hiernach, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht hat, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden (vgl. BVerfGE 63, 45 <66>).“

Diesen, im Strafverfahren Anwendung findenden Grundsatz, wendet das Verfassungsgericht auch auf das Ordnungswirdrigkeitenverfahren an:

„Auch im Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz kann der Betroffene ein Interesse daran haben, den Vorwurf betreffende Informationen, die nicht zur Bußgeldakte genommen wurden, eigenständig auf Entlastungsmomente hin zu untersuchen. Es besteht im Hinblick auf Geschwindigkeitsmessungen insbesondere kein Erfahrungssatz, dass die eingesetzten Messgeräte unter allen Umständen zuverlässige Ergebnisse liefern (vgl. BGHSt 39, 291 <300>). Die technische Komplexität der bei Geschwindigkeitsmessungen zum Einsatz kommenden Messmethoden und die bei standardisierten Messverfahren verringerten Anforderungen an die Beweiserhebung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte lassen das Bedürfnis der Betroffenen am Zugang zu weiteren die Messung betreffenden Informationen vielmehr nachvollziehbar erscheinen.“

Die Herausgabe der Rohmessdaten muss auch unabhängig davon erfolgten, ob konkrete Anhaltspunkte, die die Richtigkeit der Messung in Zweifel ziehen, gegeben sind oder nicht:

„Die Verteidigung kann grundsätzlich jeder auch bloß theoretischen Aufklärungschance nachgehen, wohingegen die Bußgeldbehörden und schließlich die Gerichte von einer weitergehenden Aufklärung gerade in Fällen standardisierter Messverfahren grundsätzlich entbunden sind. Es kommt deshalb insofern nicht darauf an, ob die Bußgeldbehörde oder das Gericht die in Rede stehende Information zur Überzeugung von dem Verstoß für erforderlich erachtet.“

Wir sind Experten auf dem Gebiet der Verkehrsordnungswidrigkeiten und beraten Sie gerne mit Hinblick auf Ihren individuellen Fall.

 


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