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Unfallbedingte Anmietung - Preisnennung

Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Holder (25.07.2018).

Die gegnerische Haftpflichtversicherung teilt dem Geschädigten vor einer Anmietung mit, welche Mietwagenpreise sie erstatten will. Solche Preisnennungen von Mietwagentarifen sind nicht geeignet, den Geschädigten bösgläubig zu stellen. Das AG Köln hat sich mit Urteil vom 27.06.16, 271 C 30/16 insoweit eindeutig positioniert und ist unserem Vortrag gefolgt. Das LG Köln hat mit Urteil vom 26.06.18, 11 S 231/16 unsere Auffassung bestätigt und hat die durch die beklagte Haftpflichtversicherung eingelegte Berufung zurückgewiesen. Das AG Köln, hat mit Urteil vom 27.06.16, 271 C 30/16 zunächst ausgeführt wie folgt: 

Steht fest, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich war, so kann ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden.

aa. Das steht hier nicht fest. Soweit die Beklagte einwendet, sie habe dem Geschädigten schriftlich und auch telefonisch vergleichbare Ersatzfahrzeuge für einen Mietpreis von 52,00 EUR brutto pro Tag angeboten, greift dies nicht durch. Es kann offen bleiben, ob die behaupteten Gespräche stattgefunden haben und ob das Schreiben vom 20.4.2015 dem Geschädigten zugegangen ist.

Denn die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war. In den von ihr vorgelegten Schreiben hat die Beklagte die Anmietung eines „Ersatzfahrzeugs derselben Schwacke-Mietwagenklasse Ihres verunfallten Fahrzeugs“ inklusive aller Kilometer, Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von 332,00 EUR und aller Nebenkosten (Zustellung/Abholung, weitere Fahrer, vorschriftsmäßige Bereifung usw.) in Aussicht gestellt. Der Geschädigte könnte unmittelbar bei den genannten Mietwagenunternehmen anrufen oder aber bei der Beklagten, die sich dann um ein Mietfahrzeug kümmern würde.

Dieses Angebot genügt nach Auffassung des Gerichts nicht, weil es sich nicht um derart bestimmte und für die Geschädigten prüffähige Alternativangebote handelt, an welche sich die Geschädigten halten müssten. Wollte die Beklagte dies wirksam gegen den erhobenen Anspruch einwenden, so hätte sie nicht bloß die abstrakte Möglichkeit einer Anmietung eröffnen, sondern ein konkretes Angebot vorlegen müssen, aus welchem sich insbesondere der Vertragspartner, Modell und Typ des angemieteten Fahrzeugs, Angebotsinhalt und sämtliche Zusatzleistungen ergeben. Nur dann hätte der Geschädigte auch die Möglichkeit gehabt, dieses Angebot zu überprüfen und mit den Leistungen des von ihm gewählten Mietwagenunternehmens zu vergleichen. Denn dem Schreiben lässt sich aus Sicht des Geschädigten nicht sicher entnehmen, dass die Beklagte ein dem eigenen Fahrzeug vergleichbares Fahrzeug zur Verfügung stellen kann. Es ist nämlich für einen Geschädigten ohne weitere Vor- und Zusatzkenntnisse nicht ersichtlich, was die Beklagte mit „derselben Schwacke-Mietwagenklasse“ meint. Die Listen der Schwacke-Mietwagenklassen sind nicht frei verfügbar, können z.B. von einem Geschädigten auch nicht selbst im Internet eingesehen werden. Bei dem Schreiben vom 20.4.2015 musste es sich aus Sicht des Geschädigten deshalb um ein bloßes Formschreiben handeln, das nicht auf den konkreten Einzelfall abgestimmt ist. Es ist ein Vermittlungsangebot, dessen Nichtannahme kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellen kann. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Ansprechpartner des Mietwagenunternehmens Y [konkret benanntes Mietwagenunternehmen] mit einer Hamburger Vorwahl und der Ansprechpartner des Mietwagenunternehmens Z [konkret benanntes Mietwagenunternehmen] mit einer Rostocker Vorwahl angegeben sind, während der Geschädigte in Remagen wohnt. Mangels weiterer Darlegung bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens ist, das ihm nicht ohne Weiteres vom Schädiger aus der Hand genommen werden darf.

bb. Das Angebot ist auch deshalb nicht bindend, weil es sich unstreitig um vertragliche Sonderkonditionen der Beklagten handelt. Dem Geschädigten ist es nicht zumutbar, sich auf Sonderkonditionen verweisen zu lassen. Insofern ist der Fall vergleichbar mit dem Fall, dass sich der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung nicht auf die – im Vergleich zu markengebundenen Werkstätten – kostengünstigeren Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt einlassen muss, wenn ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern vertragliche Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zu Grunde liegen (BGH, VersR 2010, 225; VersR 2010, 923; VersR 2010, 1280). Gleiches muss auch bei der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs gelten. Auch hier ist es dem Geschädigten nicht zuzumuten, sich auf die besonderen Konditionen einzulassen, die der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners mit Mietwagenunternehmen ausgehandelt hat. Anderenfalls würde die nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet. Denn grundsätzlich ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Das muss auch bei der Anmietung von Ersatzfahrzeugen gelten. Auch hier muss es grundsätzlich dem Geschädigten möglich sein, seinen Vertragspartner, d.h. das Mietwagenunternehmen, selbst auszuwählen (AG Köln, Urteil vom 22.04.2016, 263 C 134/15; AG Köln, Urteil vom 06.10.2015, 268 C 96/15; AG Karlsruhe, Urteil vom 23.02.2010, 3 C 61/09). Der Geschädigte kommt - anders als bei fiktiver Abrechnung von Reparaturkosten - im Falle der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit der Leistung des Unternehmens, das die Sonderkonditionen bietet, tatsächlich in Berührung. Er soll das Fahrzeug selbst nutzen und sich in das Fahrzeug setzen und damit herumfahren. Er hat ein ungleich höheres und schützenswertes Interesse daran, sich den Vertragspartner selbst auszusuchen, dem er das Vertrauen schenken soll, sich selbst und seine Angehörigen zu befördern (entgegen LG Köln, Hinweisbeschluss vom 23.02.2016, 11 S 6/15).

cc. Dem steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 08.03.2012 (I ZR 85/10, NZV 2012, 579) entgegen. Dort hatte der BGH auf Antrag eines Kfz-Vermieters zu entscheiden, ob es für den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zulässig ist, den Geschädigten zu empfehlen, das bereits angemietete Fahrzeug zurückzugeben und stattdessen ein gleichwertiges Mietfahrzeug bei einer anderen Fahrzeugvermietung zu günstigeren Konditionen anzumieten. Dies hat der BGH bejaht. Dem Geschädigten ist es daher unbenommen, auf das Angebot des Versicherers einzugehen. Nicht entschieden hat der BGH indes, ob der Geschädigte nur Anspruch auf Ersatz der geringeren Kosten hat, die bei den von dem Haftpflichtversicherer genannten Autovermietern angefallen wären.“ [Hervorhebungen sowie Herausstreichung personenbezogener Daten diesseits] 

Wir haben das erstinstanzliche Urteil des AG Köln vom 27.06.16, 271 C 30/16 erfolgreich verteidigt. Das LG Köln hat mit Urteil vom 26.06.18, 11 S 231/16 die hiergegen durch die beklagte Haftpflichtversicherung eingelegte Berufung zurückgewiesen und ausgeführt: 

„Zwar entspricht es der Rechtsprechung der Kammer, dass ein Geschädigter, der einen rechtzeitig erhaltenen Verweis auf eine günstigere Anmietmöglichkeit in der hier von der Beklagten behaupteten konkreten Ausgestaltung ausschlägt, gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen kann. Dies gilt selbst dann, wenn die angebotenen günstigeren Konditionen auf Sondervereinbarungen der betreffenden Mietwagenunternehmen mit der betreffenden Haftpflichtversicherung beruhen.

Die Beklagte hat aber nicht beweisen können, dass der Geschädigte X [geschädigte Partei] vor Anmietung seines Ersatzfahrzeuges bei der Klägerin von der Beklagten über die günstigeren Anmietmöglichkeiten in hinreichend konkreter Form informiert wurde. [Hervorhebungen sowie Herausstreichung personenbezogener Daten diesseits]

Und weiter: 

Die Kammer ist aber nicht davon überzeugt, dass der Zeuge W [Mitarbeiter der Versicherung] den Zeugen X [geschädigte Partei] im Rahmen dieses Telefonats in hinreichend konkreter, dem Inhalt des Verweisungsschreibens vom 20.04.2015 (Anlage B1, Bl. 29 d.A.) vergleichbarer Weise auf ein konkretes günstigeres Angebot verwiesen hat. Der Zeuge hat insoweit selbst erklärt, dass er zwar die Firma Z [konkret benanntes Mietwagenunternehmen] und einen Anmietpreis von 52,00 € genannt habe, nicht aber die weiteren Details aus dem Verweisungsschreiben. Diese Details bespreche er während des Telefonats normalerweise nicht, um es nicht zu überfrachten.

Jedenfalls die in dem Schreiben genannten vom Mietpreis umfassten Leistungen (alle Kilometer, Vollkaskoversicherung mit Selbstbehalt von 332,00 €, Zustellung/Abholung und alle weiteren Nebenleistungen inklusive) sind aber aus Sicht der Kammer für eine im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB relevante Verweisung auf eine günstigere Anmietmöglichkeit erforderlich, damit der Geschädigte die Vergleichbarkeit und das Leistungsangebot des genannten Anmietpreises beurteilen kann. Da nicht feststeht, dass auch diese Informationen dem Zeugen X [geschädigte Partei] im betreffenden Telefonat mitgeteilt wurden, kann eine für § 254 Abs. 2 BGB zu beachtende Verweisung während des Telefonats nicht festgestellt werden.“ [Hervorhebungen sowie Herausstreichung personenbezogener Daten diesseits]

Angesichts dieser neuerlichen Rechtsprechung weisen wir die jeweiligen Versicherungen eindeutig auf ihre Pflichten hin. 

Selbst wenn Preisnennungen zulässig wären, ist einem Geschädigten der Preis für ein Fahrzeug zu nennen welches der Fahrzeugklasse des Unfallfahrzeugs entspricht. Zudem müssten auch die Nebenleistungen (alle Kilometer, Vollkaskoversicherung mit Selbstbehalt, Zustellung/Abholung und alle weiteren Nebenleistungen) konkret genannt werden. 

Allein dies ist auch interessengerecht. Ein Geschädigter - als Laie - sieht sich bei der Schadensregulierung einem großen Versicherungsunternehmen mit tausenden von Schadensfällen im Jahr gegenüber. Vor dieser überragenden Wissenshoheit der Versicherung muss ein Geschädigter geschützt werden. 

Überdies muss die Versicherung auch beweisen, dass das dem konkreten Angebot zugrundeliegende Fahrzeug auch bei dem genannten Autovermieter unter den genannten Konditionen zur Verfügung stand. 

 


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